658 Xxv. §. 13. Nordamerikamsche Zustände.
verfaulten Staaten des spanischen Amerika, daß es gleich Anfangs
eine ehrenwerthere Bevölkerung ausgenommen hat. Nicht golddurstige
Abenteurer waren es, welche sich über die nordamerikanischen Küsten-
länder wie über eine reiche Beute herwarfen, sondern ernste und ge-
reifte Christen, die um ihres Glaubens und ihrer kirchlichen Sitte
willen aus dem Lande ihrer Väter weichen und sich jenseit des
Oceans eine neue Heimath suchen mußten. Die Haupteinwanderung
geschah um 1620 von streng gewissenhaften, gesetzlich eifrigen Puri-
tanern aus England. Unter Psalmengesang begannen sie im
Schweiße ihres Angesichts den rauhen Boden des sogenannten Neu-
England umzubrechen und die Waldeswüste in fruchtbare Aecker und
blühende Städte zu verwandeln. Andere verfolgte Protestanten (Hu-
genotten) kamen aus Frankreich, andere aus Holland und Deutsch-
land (Pfalz, Salzburg). Quäker richteten sich in Pennsylvanien ein,
eben dort siedelte sich auch die Brüdergemeinde an. Aus England
kam ein fortwährender Zufluß, je nachdem die kirchlichen Verfolgun-
gen dort gegen die eine oder die andere Partei gerichtet waren, Ka-
tholiken, Episcopale, Presbyterianer, Methodisten u. s. w. Erst in
neuerer Zeit hat die massenhafte Einwanderung ungläubiger, gegen
das Chriftenthum gleichgültiger oder feindseliger Protestanten begonnen,
leider in überwiegender Zahl aus Deutschland. Diese überaus ge-
mischte Bevölkerung, die sich erst allmälig zusammenzuschmelzen und eine
eigcnthümliche Nationalität zu bilden beginnt, stand ursprünglich unter
englischer Herrschaft und hatte nicht bloß die Sprache, sondern auch
die politischen, gerichtlichen und gesellschaftlichen Gewohnheiten Eng-
lands auf amerikanischen Boden übertragen. Zwar gab es auch fran-
zösische Besitzungen in Cañada und am Mississippi; die Holländer, die
Schweden, auch die Spanier hatten hier und va kleinere Besitztheile;
aber es ist ihnen nach und nach Alleö wieder abgenommen, und nach
fast hundertjährigen blutigen Kämpfen hat auch Frankreich weichen
und im Pariser Frieden 1763 (nach dem Schluß des siebenjährigen
Krieges in Deutschland) seine Besitzungen in Nordamerika an Eng-
land abtreten müssen (1803 gab Frankreich auch Louisiana ab). Eng-
land beherrschte also in Amerika ein weites Gebiet, fast so groß wie
halb Europa. Aber es sollte erfahren, daß eine europäische Bevöl-
kerung jenseit des Meeres, über einen ungeheuren Flächenraum aus-
gebreitet, in Kämpfen und Wagnissen aller Art geübt, reich und mäch-
tig durch Handel und Grundbesitz, kühn in ihren Entschlüssen, wag-
halsig in der Ausführung, sich nicht so leicht von Europa aus Gesetze
vorschreiben läßt, am wenigsten von einer parlamentarischen Regierung.
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Extrahierte Ortsnamen: Amerika England England Frankreich Holland Salzburg Pennsylvanien England Deutschland Cañada Schweden Frankreich Deutschland Nordamerika Frankreich Louisiana Amerika Europa Europa
Xvii. §. 9. Einbruch der Hunnen in das Römerreich :c. 283
aber das gewonnene Land nicht mehr entreißen. Schon drängten von
Norden, von den Niederlanden her, auch die Franken nach Gallien
herein, und im Süden saßen die Gothen. Es blieb also nur ein
schmaler Streif römischen Gebiets in der Mitte Frankreichs noch übrig.
Spanien war unter Gothen, Sueven, Alanen und Vandalen ge-
theilt, und soeben (431) schifften die letzteren, von dem römischen
Statthalter Bonifacius, des Aätius Nebenbuhler, selber herbei-
gerufen, nach Nord-Afrika hinüber und gründeten mit ihrem König
Geiserich an der Spitze ein vandalisches Reich daselbst. Fast alle
römischen Städte fielen rasch in ihre Hände. Dagegen blieb neben
der Hauptstadt Karthago auch die Stadt Hippo so lange unbezwungen,
bis der letzte große afrikanische Kirchenvater Augustinus seine Au-
gen daselbst geschloffen hatte. Der Gerechte wird hinweggerafft vor
dem Unglück. Er hatte lange seinen lasterhaften Landsleuten die
kommenden Strafgerichte vorhergesagt. Da sie einbrachen ward er
heimgeholt.
§. 9. Einbruch der Hunnen in das Römerreich und geist-
liche Bedeutsamkeit Rom's.
Während sich im Süden und Westen das Römerreich im-
mer weiter zersplitterte, wuchs im Osten eine Macht heran, die dazu
bestimmt schien, das ganze Abendland vollends aus den Fugen zu
reißen und die europäische Bildung sammt dem Christenthum mit
der tiefen Nacht asiatischen Heidenthnms und nomadischer Rohheit
gänzlich wieder zu bedecken. Das Hunnenvolk, jene Gog- und Ma-
gogschaaren aus den weitgedehnten Steppen Asiens, hatten sich nach
dem ersten gewaltigen Stoß, mit dem sie das weite Gothenreich zer-
trümmerten, geraume Zeit in den Wolgagegenden ruhig verhalten.
Aber gegen die Mitte des fünften Jahrhunderts war unter ihnen ein
Mann aufgestanden, der, obwohl er den lebendigen Gott nicht kannte,
sich doch der schrecklichen Aufgabe bewußt war, die göttlichen Straf-
gerichte an den Resten der Römer und den germanischen Völkern des
Westens zu vollziehen. Vom kaspischen Meere bis zu den Karpathen
hatte Attila, der gewaltige Hunnenfürst, sich bereits alle germani-
schen und sarmatischen Stämme dienstbar gemacht. Den Kaiser in
Conftantinopel erschreckte er durch immerwährende Raubzüge südlich der
Donau und zwang ihn zu entehrenden Verträgen. Die Häuptlinge
der Ostgothen, die Gepiden, Rugier, Heruler u. s. w., bildeten einen
Theil seines glänzenden Hofstaats. Immer weiter nach Westen, über
die Longobarden und Thurilinger hinaus bis zum Burgunderreich am
Mittelrhein dehnte er die ungeheuren Grenzen aus. Endlich brach
er 450 selber auf, um den Rhein zu überschreiten und das ganze
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Extrahierte Personennamen: Bonifacius Augustinus Attila
660 Xxv. §. 13. Nordamerlkanische Zustände.
sich angesiedelt, sind sie über das Gebirge hinübergestiegen in das
Mississippithal; sie haben den Mississippi und Missuri überschritten und
sind bis an das Felsengebirge vorgedrungen; sie haben auch über die
Felsengebirge ihren gefährlichen Weg gefunden, haben den stillen
Ocean erreicht, haben eine Anzahl merikanischer Provinzen zu ihren
Besitzungen hinzugezogen, und beherrschen jetzt eine Ländermasse fast
so groß wie der ganze Contincnt von Europa, ein Gebiet voll der
größten Neichthümer mit aller Mannigfaltigkeit des Bodens, des
Klimas und der Erzeugnisse. Aus den dreizehn Staaten sind bereits
einunddreißig geworden, manche so groß und größer als ein Königreich,
und eö sind noch gewaltige Landerstrecken übrig, aus denen immer neue
Staaten sich bilden können. Wie Pilze über Nacht wachsen an allen
Orten die Städte aus der Erde, und die vor zehn Jahren erst neu-
gegründet wurden, zählen nun schon ihre Einwohner nach Zehntausen-
den. Denn in immer steigenden Verhältnissen wachst die Zahl der
Bevölkerung. Vor sechzig bis siebenzig Jahren mochte sie kaum drei
Millionen betragen, jetzt wird sie schon auf fünfundzwanzig Millionen
berechnet, und mit jedem Jahr kommen neue Hunderttausende hinzu
aus Deutschland, aus Irland, aus England, sogar Inder und Chi-
nesen eilen über das stille Meer hinüber, angelockt von den Goldgru-
den Californiens. Solch rasche Vermehrung der Bevölkerung muß
natürlich alle Arme und Kräfte zur angestrengtesten Thätigkeit spor-
nen und der ohnehin dem angelsächsischen Charakter eingeprägte Ge-
schästigkeitstrieb, die Sucht zu schaffen, zu gestalten, nach außen zu
wirken, ist in Amerika zu einer fiebrigen Hast, zu einer Alles über-
stürzenden Eile, einem Rennen und Laufen, Drängen und Treiben,
Wetten und Wagen auögebildet, dergleichen sich kaum irgendwo sonst
in christlichen Ländern noch findet. Da sind unermeßliche Landstrecken
voll des fruchtbarsten Bodens anzubauen, Wälder zu lichten, Sümpfe
auszutrocknen, wüste Flächen urbar zu machen; da sind unerschöpfliche
Kohlen- und Eisengruben auszubeuten, da sind zahllose Canäle, Land-
straßen, Eisenbahnen zu bauen, da sind immer neue Straßen, Dörfer,
Städte aufzurichten, und die waghalsigsten, in unseren Augen tollkühn-
sten Unternehmungen drängen sich mit einer köpf- und herzverwirren-
den Eile und Endlosigkeit, also daß für die stilleren Beschäftigungen,
für Künste und Wissenschaften kaum ein Räumchen übrig bleibt.
Und wozu das alles? Welches ist das Ziel, nach dem der
Amerikaner trachtet? „Geld zu machen" das ist sein Streben, leider oft
sein einziges Streben. Die zarteren und feineren Gefühle, die heiligeren
Pflichten gehen ihm unter diesem Jagen nach irdischem Reichthum in
TM Hauptwörter (50): [T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T64: [Insel Amerika Land Spanier Australien Kolonie Hauptstadt Küste Entdeckung San]]
TM Hauptwörter (200): [T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T76: [Staat See Nordamerika Stadt Union Mississippi Washington Ohio Gebiet vereinigt], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat]]
Extrahierte Ortsnamen: Europa Deutschland Irland England Goldgru- Amerika